BGH BauR 2011, 1324 – Kumulierte Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit nach der Abnahme in Höhe von mehr als 5-6% als AGB unwirksam

BGH BauR 2011, 1324 – Kumulierte Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit nach der Abnahme in Höhe von mehr als 5-6% als AGB unwirksam

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 05.05.2011, dass die in AGB des Auftraggebers enthaltenen Klauseln über eine kumulierte Sicherheit in Höhe von 10% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme für die Sicherung von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Im entschiedenen Fall hatte der AN Sicherheit jeweils in Höhe von 5% der Auftragssumme für die Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit zu leisten.

Der AG war berechtigt, die Vertragserfüllungssicherheit über die Abnahme hinaus bis zur Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einzubehalten Der BGH meint, dass eine Sicherheit von insgesamt 10% nach Abnahme der Bauleistung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers das angemessene Maß überschreitet. Das Gericht argumentiert, dass das Sicherungsinteresse des AG nach der Abnahme deutlich geringer ist als in der Phase der Vertragserfüllung. Der AN hat seinen Vertrag zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt. Das Werk wurde vom AG als im Wesentlichen vertragsgerecht entgegen genommen. Zudem können dem AG neben der Gewährleistungssicherheit zusätzliche Leistungsverweigerungs-rechte am Werklohn zustehen, sodass die Belastung des AN nicht über die üblichen Einbehalte von 5% (im Ausnahmefall 6% bei kombinierter Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit) hinausgehen darf.

Der BGH bestätigte in seinem Urteil vom 05.05.2011 auch seine bisherige Rechtsprechung, wonach im Falle zweier Vertragsklauseln, die für sich genommen wirksam sind, jedoch den Vertragspartner in ihrer Gesamtwirkung unangemessen benachteiligen, beide Klauseln unwirksam sind. Dies gilt im Übrigen auch, wenn eine der Klauseln für sich genommen bereits unwirksam wäre. Der Verwender zweier Klauseln, von denen nur eine Bestand haben könnte, soll sich nicht auf die Unwirksamkeit einer Regelung berufen können, um die verbliebene zu erhalten.

Dieser Entscheidung schloss sich das LG Wiesbaden in einem aktuellen Urteil vom 25.01.2012 (NJW-RR 2012, 917) an. Zuvor hatte bereits das LG Wuppertal am 18.10.2007 (ZfIR 2008, 251) sowie das OLG Dresden am 15.07.2008 (BauR 2008, 1670) entschieden, dass eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vorliege, wenn nach Abnahme sowohl die Vertragserfüllungssicherheit als auch die Gewährleistungssicherheit (dort insgesamt 15%) vom AN gestellt werden müssen. Das OLG Dresden argumentierte ebenfalls, dass mit der Abnahme die Bauleistung vom Auftraggeber als im Wesentlichen vertragsgerecht akzeptiert wurde und dessen Sicherungsbedürfnis fortan deutlich geringer anzusetzen sei als vor der Abnahme. Die Ansprüche des Auftraggebers konzentrieren sich nunmehr auf das von ihm akzeptierte Bauwerk. Das vor Abnahme abzusichernde wesentliche Risiko der Insolvenz des Auftragnehmers vor Fertigstellung der Bauleistung ist ungleich höher als das Risiko, am fertig gestellten Bauvorhaben Mängel ggf. mit eigenen Mitteln im Falle des Leistungsausfalls des Auftragnehmers selbst nachbessern zu müssen.

Für Auftraggeber bedeutet diese Rechtsprechung, das AGB-vertragliche Sicherheitenregime sorgfältig auszubalancieren. Nach der Abnahme darf der Einbehalt von der Schlussrechnungssumme im Regelfall 5% nicht übersteigen. Eine vom AN übergebene Vertragserfüllungssicherheit muss daher regelmäßig mit der Abnahme zurückgegeben werden, um keine Übersicherung des AG und damit die Unwirksamkeit sämtlicher vertraglicher Sicherheitenvereinbarungen zu riskieren.